in diesem Jahr startete das legendäre, bundesweite Birdrace am 02. Mai unter sagen wir mal beschränkten Bedingungen. Die ebenfalls legendären SARS-Maßnahmen in unserem Land eröffneten indes im Race-Reglementarium komplett neue Möglichkeiten. Virtuelle Teams konnten über ganz Deutschland verstreut die Arten verschiedener Landkreise addieren, was in manchen Kombinationen zu erstaunlichen, jedoch auch erwartbaren Zahlen führte. Es war nunmehr auch erlaubt, allein ins Feld zu ziehen und ich entschied mich spontan und kurzfristig für diese Variante.
Also fuhr ich schon am 01.05., endentspannt und als mein eigener Herr, als "Buteo vwus" in mein geliebtes Havelland, schaute mir sozusagen vorab einige strategisch wichtige Gebiete an und versuchte mir einen reellen Plan zu entwerfen, wie ich am Folgetag wo und wann, die besten Chancen hätte.
Abends beschloss ich dann, die Nacht im "Wachower Lötz" zu verbringen und ab 0:00 Uhr, gewissermaßen im Schlaf, mit einem wachen Ohr, nächtliche Sänger und Rufer auf meine Liste zu bekommen. Um 0:20 Uhr ging es dann los, ich wurde kurz wach und konnte sogleich schonmal einzelne Arten ankreuzen. Neben der Nachtigall unter anderem auch einen entfernt rufenden Waldkauz, den ich mir so schwer erhofft hatte, im Vordergrund allzeit und stätig das monotone Schnarren der Rohrschwirle in den Schilfflächen. Der Schlaf an sich war, wie zu erwarten, unruhig und fragmenthaft und ab ca. 2:00 Uhr setzte sich ein Schilfrohrsänger gefühlt auf meine Bettkante und quasselte mir ununterbrochen den Kopp zu. Demensprechend zerknittert verließ ich gegen 4:30 Uhr, kurz nachdem ein rufender Waldwasserläufer übergeflogen war, mein warmes Nest, zog die Gummistiefel an und begab mich unter den dumpf dröhnenden Rufen der Rohrdommel und fernem, schallendem Kranichgeschrei in die feuchte Dunkelheit.
Meine Mimik hellte sich abrupt auf, als ich, mehr oder minder zufällig, eine freistehende Jagdkanzel mit zwei offen gelassenen Schießluken mit meinen Blicken streifte, in der tatsächlich eine Schleiereule auf der Drehsessellehne saß, mich kurz anzwinkerte um dann lautlos in die Morgendämmerung zu entschwinden. Ein Juchzer entsprang meinem Herzen, sowas nennt man wohl ausgesprochenes Race-Glück. So langsam begann dann auch das volltönende Vogelkonzert. Bartmeise und Blaukehlchen mussten hier noch auf meine Liste - Zwergtaucher, Wasserralle und Teichhuhn standen schon drauf - leider kein kleines Sumpfhuhn, dafür war es in diesem Jahr aber scheinbar eh viel zu trocken im Gebiet. Also eine kleine Runde durchs Lötz und alle Target-Arten auf´s Papier gebracht. Eine Bekassine flog "ätschend" auf und es sangen sogar gleich zwei Weidenmeisenmänner, welche erfahrungsgemäß beim Birdrace immer schwer zu bekommen waren. Jetzt hieß es Autoscheiben freimachen und ab zum "Trebelsee". Hier hatte ich schon gestern übriggebliebene Saat- und Blessgänse in einem größeren Nichtbrüter-Trupp von Graugänsen entdeckt, heute kamen noch Nilgänse dazu. Feldlerche, Braunkehlchen und Felschwirl sangen, ein Wiesenpieper querte rufend die Szenerie und eine Beutelmeise flipste durch Schilf und Gebüsch und ließ, wenn auch spärlich, ihr weiches, süßes "tsiiü" hören. Als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, sang auf dem Rückweg in einem Feldgehölz am Weg noch eine Heckenbraunelle - sehr schön! Nun ging´s durch die Feldflur in die "Tremmener Erdlöcher" um die dort brütenden Rothalstaucher zu ticken. Haubenlerche, Rabenkrähe und Türkentaube hatten inzwischen, neben anderen Arten, ebenfalls ein Häkchen bekommen. Mittlerweile war es schon 6:45 Uhr - also Zeit in den Wald aufzubrechen. Gegen 7:00 Uhr kurzer Stopp am Waldrand in Riewend. Die Artenzahl purzelte in die Höhe, bei nebenbei gesagt, herrlichem Wetter: Heidelerche, Pirol, Wanderfalke, Fischadler, Wendehals, Grünspecht, Schwarzspecht, Kleinspecht - top! Direkt im Wald dann Misteldrosseln, Hohltauben, Tannen- und Haubenmeisen und die Goldhähnchen, aber weder Waldbaumläufer, noch Gimpel, Kreuzschnabel oder gar Erlenzeisig. Auf einem vermeintlichen Habichthorst konnte ich keinen lebenden Vogel entdecken - nur ´nen Stück eines toten Hasen und einige Schmelz-Spritzer - und so ging es weiter nach Garlitz zu den Großtrappen. Auf einer kurzrasigen Pferdekoppel am Ort gab es 2 nordische Thunbergschafstelzen neben 8 Wiesenschafstelzen und ein einzelnes Belegfoto.
Um 9:15 Uhr schlug kurz die Wachtel und ein vorjähriger Raufußbussard kreiste aus Richtung Barnewitz auf. Einzelne Trapphähne in Vollbalz, bei leider sehr flimmeriger Luft und bei Covid-bedingter Vollsperrung der Beobachtungstürme. In der Hoffnung auf ein oder mehrere Rebhühner, fuhr ich noch zum "Buckower Beo.-Turm" - hier ein Großer Brachvogel, jedoch kein einziges Rebhuhn. Dafür konnte ich im "Hohen Luch" eine in den Wiesen schmerzlich vermisste Wiesenweihe beobachten - ein adultes Männchen. Auf dem anschließenden Weg zum "Gülper See", fuhr ich kurz vor Rathenow nochmal in den Wald. Ich hatte einen Tipp bekommen von meinen eigentlichen Kontrahenten - richtige Sportsmänner halt! Der Mittelspecht klappte, der Gimpel nicht, aber immerhin noch Waldbaumläufer, Grauschnäpper, Trauerschnäpper, Waldlaubsänger und Kernbeißer. Am "Grützer Bogen" dann die ersten Grünschenkel und Bruchwasserläufer, 6 Seeadler in einem Baum und ein balzender Rotschenkel. Gegen 13:00 Uhr in einem Feldgehölz, eine auf einem Krähennest brütende Waldohreule. In nächster Nachbarschaft eine Graugans auf einem alten Bussard-Horst oder Kolkrabennest und als dritter im Bunde ein Turmfalke auf einem schon reichlich rudimentären Nest - fand ich ganz erstaunlich dieses Potpourri und wurde dann sogleich noch vom "Tschackern" einer Wacholderdrossel aus meinen verblüfften Gedanken gerissen. Jetzt an die Havel - Eisvögel suchen! Hat nicht lange gedauert, aber gegen 14:00 Uhr zog eine schwere Wetterfront auf und es wurde buchstäblich Nacht. Und jetzt kommt das Unglaubliche: mein alter Bekannter, der Uhu, rief ca. 10 mal, bevor ein Hagel-/Regenschauer nieder ging, den ich seit langem nicht erlebt hatte. Also schnell in den Bussard, trockenes Kapu anziehen und weiter. Der Gewitterguss hielt unvermindert an und an der Straße am "Gülper See" schlug direkt in der Vorbeifahrt der Blitz in eine Birke ein, so dass ich einem Spaltholz ausweichen musste, welches auf die Fahrbahn kippte. Schreck lass nach - oder ein Zeichen der Götter? Ich wollte noch einen Wiedehopf - den gab´s dann trotz Zeichen und Wundern im Vorfeld nicht. Immerhin einen singenden Steinschmätzer mit seiner Frau in der Ruhe nach dem Sturm im eigentlichen Wiedehopf-Revier. Jetzt begann es wieder leicht zu tröpfeln und ich fuhr zum See. Dort angekommen landete gerade ein Schwarzstorch im schüttern Schilf am Ost-Ufer, manche würden "vor´m Küdden" sagen. Zwischen Lachmöwen flogen mindestens 2 vorjährige Zwergmöwen. Rund 80 Trauerseeschwalben und 15 Flussseeschwalben gaukelten am Nordufer entlang. Es befanden sich leider weder Weißflügel-, noch Weißbartseeschwalben darunter - aber scheinbar, wie ich erst einen Tag später erfahren durfte, mindestens eine Küstenseeschwalbe - die fand natürlich keinen Niederschlag in meiner Wertung. Auf dem Weg zum Turm trällerten die Ortolane und auf der Landzunge vor´m Turm ruhten 3 immature Großmöwen an der Wasserkante - alles Steppenmöwen. Auf dem See ansonsten gähnende Leere. Ein paar Schnatterenten, Haubentaucher, Grau- und Silberreiher und einige Rauch- und Mehlschwalben. Beim Scannen der Umgebung fiel ein kleiner, ruhender Falke in einer einzeln stehenden Weide auf der sogenannten "Schelpwische" auf - sehr, sehr weit weg und wahrscheinlich leicht nässlich vom Regenguss: leuchtend hell, cremefarben wirkendes Gesicht (wenn er den Kopf mal richtig eindrehte), Hinterhaupt scheinbar etwas dunkler, helles cremefarben/beiges Flankengefieder, schiefer/bräunliches Rückengefieder. Hmmm, da musste ich etwas näher ran. Also runter vom Turm an den Weidezaun - auch nicht viel besser - aber wenigstens konnte ich hier einige Uferschwalben bemerken. Den Falken dann vorerst als vorjährigen, weiblichen Rotfußfalken angesprochen, später dann, aufgrund der Statur und Kurzschwänzigkeit, als Merlin bestimmt.
Wer sich selbst ein Bild machen möchte - bitteschön...
Unscharfer Pixelsalat mit Thunfisch... |
Unscharfer Pixelsalat mit Thunfisch... |
Auf den Wasserflächen hielten sich nur wenige Schnatter-, Krick-, Pfeif-, Löffel-, Knäk- und Stockenten auf. Jetzt wurde es noch kälter und windiger und am Himmel schwoll die nächste Regenfront zusammen und um nicht schon wieder komplett durchzuweichen, brach ich ab und marschierte zurück zu meinem treuen Bus. Also trotzdem weiter, auf zum "Turm am Grabow", wo ich 2 meiner alten Teamkollegen von den "Nachtschwalben" traf (mit mind. 1,55 m Sicherheitsabstand). Dort sang nochmal ein Blaukehlchen und entfernt stand eine Brandgans, aber ansonsten waren zumindest Limi- und Entenliste für heute abgeschlossen. Jetzt war ich schon reichlich durchgepeitscht, begegnete beim Verlassen des Turms 2 Mitgliedern des virtuellen Teams "Elbspötter" (auch mind.1,55 m Sprech- und Huste-Abstand) Dieselben Leute nochmal am Nordufer - mit Schwanzmeise, die mir noch fehlte, und beim Uhu bei Sonnenuntergang - alles auf Abstand...
Und so endete dieses wirklich sehr schöne, intensive Vogelrennen mit 146 Vogelarten auf der liste, einem kühlen Bierchen auf der Kralle, schmerzenden Gesäß- und Schenkelmuskeln und einem zufriedenen Grinsen im Gesicht in einem der schönsten Landkreise in ganz Deutschland!
In diesem Sinne, bleibt gesund - Euer Sternabert alias Buteo vwus...