Viel Vergnügen beim Lesen und reinhören und natürlich mit bestem Dank an den Verfasser!
Der Sternabert...
Vokalisation
überwinternder Zilpzalps Phylloscopus
collybita in Aserbaidschan
Eine
zweiwöchige Reise durch Aserbaidschan führte mich zu einer Reihe Beobachtungen
von offensichtlich überwinternden Zilpzalps. Um welche Unterart oder Art
handelt es sich hier, in diesem recht wenig erforschten Bereich Europas?
Zunächst
sollte man sich über die in Frage kommenden Unterarten bewusst sein:
collybita
abietinus
tristis
brevirostris
caucasicus
menzbieri
sowie
das mittlerweile separierte Taxon
lorenzii
Auffällig
war, dass schon der erste bemerkte Zilpzalp anders als die in Mitteleuropa
vorkommenden collybita rief. Sehr
oberflächlich gehört klang der Ruf wie für tristis
beschrieben „hiit“. Ein genaueres Hinhören offenbarte allerdings einen leichten,
aber deutlich zu hörenden Abfall der Tonhöhe am Ende des Rufes.
Äußerlich
wirkte das Individuum fahler und weniger grünlich als die Nominatform, mit einem deutlichen und breiten, beigefarbenen Überaugenstreif.
Die große
Überraschung zeigte sich im Verlauf der Reise dadurch, dass alle beobachteten Individuen
gleich, bis beinahe gleich riefen.
Auch
jeder einzelne Vogel rief den gleichen Ruf über die Beobachtungsdauer permanent
und ohne große Variation. Daher liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den Rufen
um einen voll ausgebildeten Ruf, gegenüber einem noch zu erlernenden, dadurch
variierenden Ruf aus der Jugendphase handelt (Bsp. Abb. 8).
Zilpzalps
waren regelmäßig (v.a. in Gewässernähe), aber nicht allzu häufig, anzutreffen.
Von
sechs Vögeln konnten Belege angefertigt werden. Davon fünf mit Tonaufnahmen und
drei mit Foto sowie Tonaufnahmen vom selben Individuum:
I. Şirvan (Ton, Beschreibung: Lukas Pelikan), 17. Januar
olivbraune Tönung von Rücken, Mantel bis Nacken
schmutzige
Unterseite
prominenter
(deutlich abgesetzter) beiger Überaugenstreif, hinter dem Auge wie vor dem Auge
breit, d.h. vor dem Auge nicht zusammengekniffen
II.
Machmudchala (Foto: Michael Heiß), 17. Januar
ähnlich I, dunkel olivbraune Tönung von Rücken, Mantel bis Nacken mit deutlicher Präsenz von oliv
prominenter
(deutlich abgesetzter) beiger Überaugenstreif
helle
einheitlich weißliche Unterseite
Schnabel
schwarz, basal schwach orange Aufhellung am Oberschnabel bis etwa zu einem
Viertel der Schnabellänge
olivgrüner
Saum der Arm- und Handschwingen, sowie Schwanzfedern
rostiger
Anflug auf den Ohrdecken
breiter
beiger Überaugenstreif
Beine
und Schnabel schwarz, mit basal schwach oranger Aufhellung am Oberschnabel bis
etwa zu einem Drittel der Schnabellänge
einheitlich
helle weißliche Unterseite mit beigen Anflug an den Flanken
gelbe
Tönung im Achselbereich, sowie rostral im Überaugenstreif
heller graubrauner Mantel, Nacken bis Scheitel mit prominenten Grauton
IV. Nərimanabad Dorf (Ton, Foto: Lukas Pelikan, Michael Heiß), 18. Januar
heller graubrauner Mantel, Nacken bis Scheitel mit prominenten Grauton
Olivgrün
beschränkt auf Schulterfedern und Schwingensaum
helle,
weißliche Unterseite
breiter
beiger Überaugenstreif, ohne auffällige Gelbtönung
schwarze
Beine und Schnabel, eventuell Aufhellung am Schnabelansatz
V. Ağgöl (Ton: Lukas Pelikan), 20. Januar
nicht gesehen
VI. Mingəçevir (Ton, Foto: Lukas Pelikan), 20.
Januar
olivgrüner Ton auf Saum von Schwingen, Schirmfedern
und äußere Schwanzfedern; olivgrüner Ton lässt sich auf Mantel stellenweise
erahnen (im Feld nicht sichtbar)
helle weißliche Unterseite mit beigen Anflug, sonst
eher gräulich
breiter hellbeiger Überaugenstreif mit rostral
Gelbton bei genauerem Hinsehen
deutlicher, gelblichweißer Ton im
Achselbereich/Alula (deutlicher gelb als im Überaugenstreif)
schwarze Beine und Schnabel mit basal deutlich
oranger Aufhellung des Ober- und Unterschnabels bis etwa zur Hälfte der
Schnabellänge
Spätestens im Sonagramm angesehen kann man anhand
der Rufe typische tristis ausschließen.
Bei einem typischen tristis sollte der Ruf bei etwa 4-4,5 kHz auf gleicher Tonhöhe
bleiben und kann am Anfang und am Ende etwas aufsteigen bzw. abfallen (um etwa
300 Hz). Ein Vogel kann allerdings in einer Reihe von Rufen einmalig (oder
wenig mehr) von einem typischen Ruf abweichen.
Die hiesige Unterart caucasicus äußert einen ganz ähnlichen Ruf, der teilweise kaum vom tristis-Ruf unterscheidbar ist. Auch brevirostris, menzbieri und lorenzii
haben ähnliche Rufe, die mit denen der Vögel in Aserbaidschan aber alle keine
hundertprozentige Übereinstimmung zeigen.
Abb. 7: Taigazilpzalp (ssp. tristis), 17. Mai,
Kasachstan (Ton: Ralph Martin)
Die Gefiedermerkmale der fotografierten Vögel schließen ebenso lorenzii durch das Vorhandensein von Olivgrün im Gefieder und einem nicht rein weißen Überaugenstreif aus. Vielmehr zeigen sie Merkmale, die vollkommen auf collybita zutreffen können (wie II) bis zu Übergangsmerkmalen zu tristis und Merkmalen, die auf einen (nicht-klassischen) tristis passen können (wie IV).
Auf der Suche nach treffenderen Übereinstimmungen
der Rufe gelangte ich zu diversen Veröffentlichungen mit dem sogenannten
„sweeoo“-Ruf.
Auffällig
hierbei ist, dass alle Rufaufnahmen, die genau den gleichen Frequenzverlauf
hatten, auch aus dem potenziellen Überwinterungsgebiet (wie z.B. Israel, Oman)
der östlichen abietinus bzw. „fulvescens“ kommen.
Weiterhin
sind diese Ruftypen bekannt aus Herbst-Invasionen in Finnland und Estland, wo
sie nicht alljährlich aber teilweise in beachtlichen Größenordnungen auftreten,
d.h. scheinbar die Mehrheit der dortigen Zilpzalps diesen Ruftyp aufweisen.
Antero
Lindholm beschreibt diese als solche, die einen zunächst aufsteigenden und dann
einen absteigenden Teil besitzen, wobei der Startpunkt höher ist, als der
Endpunkt im Frequenzverlauf. Der in Aserbaidschan gefundene Ruftyp entspricht
dem Typ H2 seiner Publikation (s.u.).
In Hannu
Jännes CD „Calls of Eastern Vagrants“ taucht dieser Ruftyp als „östlicher
abietinus“ deklariert auf; aufgenommen im August in Uusimaa, Finnland. Hier
wird erwähnt, dass diese Rufe auf dem Herbstzug in Westeuropa und Griechenland
und von Durchzüglern und Überwinterern in Israel geäußert werden und wohl den
östlichen abietinus zugeordnet werden
können.
Weitere
Individuen mit diesem Ruf tauchten invasionsartig in Spanien im Winter auf.
Das
große Problem ist einerseits, dass viele schriftliche Beschreibungen der
alternativen Rufe (vor allem in älteren Publikationen) nicht weiterhelfen und
so auch nicht ausgewertet werden können, da sie ohne die hörbare Tonaufnahme
oder ein Sonagramm zu viel Raum für Interpretationen lassen, und andererseits
– und das ist der wichtigste Punkt – dass viele verschiedene Rufe in der
Vergangenheit als „sweeoo“-Ruf deklariert wurden, obwohl sie sich teilweise
unterschiedlich anhören und sich deutlich im Sonagramm unterscheiden.
Verschiedene Autoren nehmen Bezug auf „den sweeoo-Ruf“, obwohl sie eine
(teilweise leicht) veränderte Variante behandeln.
Das Team
von The Sound Approach hatte 2006 den „sweeoo“-Ruf (oder „wheeo“) als einen Jungvogelruf
erklärt. Nach deren Auffassung äußern Vögel in einem bestimmten Entwicklungsstadium der
Ruferlernung einen solchen Ruf auch noch auf dem Wegzug.
Das
stimmt natürlich bei den von ihnen behandelten Tonaufnahmen, jedoch zeigen die Rufe in
Aserbaidschan alle keine Variation innerhalb der Ruffolge (also
typisches Jungvogelmuster) – und weitere Vögel aus dem Nahen Osten und der
groben Region ebenfalls nicht; genauso wenig wie die Aufnahme von Hannu Jännes CD.
Abb. 8:
Zilpzalp, Jungvogel, 30. Juli, Deutschland (Ton: Ralph Martin)
Bei weiterer Recherche fanden sich zahlreiche weitere Lautäußerungen, die nicht auf das typische Jungvogelmuster passten, aber sich deutlich von den in Aserbaidschan geäußerten Rufen unterscheiden und immer wieder wiederholt auftreten. Diese werden hier aber nicht weiter behandelt. Teilweise wurden schon einige in Publikationen als „sweeoo“-Ruf behandelt.
Ob es
sich womöglich um eine eigene Population handelt, die einen
tristis-ähnlichen-Ruf hat und vorrangig von südlich des Großen Kaukasus über
den Nahen Osten bis hin zum Oman überwintert, also dadurch die Anfangsthese von
Hannu Jännes bestätigt, ist nicht klar und muss noch durch weitere Forschungen,
vor allem an Brutvögeln bzw. auch singenden Individuen auf dem Durchzug,
bewiesen oder widerlegt werden.
Hinweise
gibt es durch Mitschnitte in Westrussland aufgenommener Brutvögel, die diesen Ruftyp äußern.
Festhalten sollte
man: Es besteht bei sehr gräulichen Individuen
eine Verwechslungsmöglichkeit mit „echten“ Taigazilpzalps (ssp. tristis), da diese Rufe im Feld ohne Referenz sehr ähnlich dem flachen Frequenzverlauf des tristis-Rufes klingen können – vor allem aus der Entfernung. Auch die weiteren hier nicht behandelten Rufe können mit tristis-Rufen verwechselt werden.
Und: Die abnormalen Rufe von Zilpzalps wurden in der Vergangenheit offensichtlich über einen Kamm geschert und, trotz teilweise großer Differenzen, gleich behandelt und bewertet – obwohl sich ein divergentes Auftretensmuster bei zumindest einem Typ andeutet.
Summary:
In Azerbaijan in winter 2015 we encountered many Chiffchaffs which all called persistently. All had the exact same call and no one had significant variation within the call itself. Therefore a juvenile call that shows plasticity seemed unlikely as an explanation.
My conclusion is, the so-called and much discussed ‚sweeoo call’ has been lumped together with several different vocalisations which each have different but consistent appearances seasonally and partly also geographically. Several ‚variants’ of the ‚sweeoo call’ are already described in different papers, some referring to a different one respectively.
The exact match of the in Azerbaijan recorded call was found in the invasion years in Finland and Estonia, Spain in winter and especially also wintering in Oman and Israel.
A breeding bird in West Russia uttering this call indicates an origin of this call farther north, presumably in Volga area, thus supporting a thesis that this call is typical for eastern abietinus.
But further studies are needed to explain the full vocabulary and its use of Chiffchaffs especially of the eastern populations.
Und: Die abnormalen Rufe von Zilpzalps wurden in der Vergangenheit offensichtlich über einen Kamm geschert und, trotz teilweise großer Differenzen, gleich behandelt und bewertet – obwohl sich ein divergentes Auftretensmuster bei zumindest einem Typ andeutet.
Summary:
In Azerbaijan in winter 2015 we encountered many Chiffchaffs which all called persistently. All had the exact same call and no one had significant variation within the call itself. Therefore a juvenile call that shows plasticity seemed unlikely as an explanation.
My conclusion is, the so-called and much discussed ‚sweeoo call’ has been lumped together with several different vocalisations which each have different but consistent appearances seasonally and partly also geographically. Several ‚variants’ of the ‚sweeoo call’ are already described in different papers, some referring to a different one respectively.
The exact match of the in Azerbaijan recorded call was found in the invasion years in Finland and Estonia, Spain in winter and especially also wintering in Oman and Israel.
A breeding bird in West Russia uttering this call indicates an origin of this call farther north, presumably in Volga area, thus supporting a thesis that this call is typical for eastern abietinus.
But further studies are needed to explain the full vocabulary and its use of Chiffchaffs especially of the eastern populations.
Literaturhinweise:
Copete, J.L & Armada, R. 2004: Unusual calls of
Chiffchaffs Phylloscopus collybita in NE Spain in autumn-winter: an alert to
Spanish observers http://www.rarebirdspain.net/arbsi026.htm
Lindholm, A 2014: Occurrence
of the alternative call of Common Chiffchaff in Finland and Estonia
Constantine, M & The Sound Approach 2006: The Sound Approach to birding
Christen,
W 2012: Abweichende Rufe beim Zilpzalp
Phylloscopus collybita im Großraum Solothurn